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Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative: Kompromiss in Sich
Prioritäten in der Pflege richtig setzen!
Das Gesundheitswesen braucht eine starke Pflege. Der Ständerat hat sich beim Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative zum Anliegen bekannt, behält aber auch die Kosten im Blick. Jetzt ist der Nationalrat gefordert.
Die Krankenpflege ist einer der Eckpfeiler des Gesundheitswesens, das hat auch die Coronakrise deutlich gemacht. Umso wichtiger ist die Sicherheit, dass die Pflege auch in Zukunft auf hohem Niveau erbracht und der Bedarf an qualifizierten Mitarbeitenden jederzeit abgedeckt werden kann. Denn die grösste Herausforderung im Pflegebereich ist nicht eine Krise, sondern die Alterung der Bevölkerung und der dadurch steigende Pflegebedarf. Ab 2030 wird die Zunahme von Pflegebedürftigen ihren Höhepunkt erreichen und wir werden in der Schweiz deutlich mehr Pflegende benötigen. Diesen Mehrbedarf gilt es sicherzustellen – und zu finanzieren. Alleine durch die demografische Entwicklung werden jährliche Mehrkosten in Milliardenhöhe resultieren.
Gegenvorschlag schiesst über das Ziel hinaus
Der Ständerat hat sich in der vergangenen Sommersession mit dem indirekten Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative auseinandergesetzt. Das Anliegen klingt einleuchtend, schiesst teilweise aber weit über das Ziel hinaus und setzt Anreize, die der Pflege insgesamt sogar schaden werden. Die Vorlage beinhaltet eine Verbesserung der Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen für die oberste Stufe der Pflegenden, die diplomierten Pflegefachpersonen – und damit etwa 30 Prozent santésuisse _ BRENNPUNKT 3 der Arbeitskräfte, die in Pflegeberufen tätig sind. Gefragt wäre aber ein Ausbau der Pflegekapazitäten bei den anderen 70 Prozent der Pflegenden, die im Besitz eines eidgenössischen Fähigkeitszeugnisses oder Berufsattests sind (z.B. Fachfrau Gesundheit). Sie stellen den Betrieb und die tatsächlichen Pflegeleistungen sicher, während die Pflegefachleute vermehrt in der Arbeitsplanung und Überwachung tätig sind. Priorität müssten also jene haben, die tatsächlich am Bett der Patientinnen und Patienten stehen. Mit der Pflegeinitiative und auch dem indirekten Gegenvorschlag werden zudem gefährliche Präjudizien geschaffen:
1. Mit einer neuen Abrechnungskompetenz ohne ärztliche Anordnung soll der Pflegeberuf attraktiver gestaltet werden. Damit würde aber an einem Eckpfeiler unseres heutigen Systems gesägt, dem engen Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Disziplinen im Gesundheitswesen. Es hat sich bewährt, dass Anordnungen durch die behandelnden Ärzte erfolgen. Sie müssen den Überblick haben und tragen auch die Gesamtverantwortung zum Wohle der Patienten.
2. Pflegeinitiative und indirekter Gegenvorschlag fokussieren praktisch ausschliesslich auf diplomierte Pflegefachleute. Die hoch ausgebildeten Pflegenden sind insbesondere in spezialisierten Pflegeberufen, wie der Intensivpflege, von grosser Bedeutung. Das hat die Coronakrise gezeigt. In der Grundpflege sind aber besonders die Pflegerinnen und Pfleger der unteren Stufen (Fachangestellte Gesundheit und Pflegehelfer SRK) gefragt. Diese Berufsgruppen werden jetzt aber weder von der Initiative noch vom indirekten Gegenvorschlag berücksichtigt.
Der Ständerat hat in der Sommersession zumindest in einem wichtigen Punkt massvoll entschieden: Wenn Pflegende künftig selbstständig Leistungen anordnen und gegenüber den Krankenversicherungen abrechnen wollen, sollen sie dies erst nach Abschluss von präzisierenden Vereinbarungen mit den Krankenversicherern tun dürfen. Dort sollen Qualitäts- und Mengenkriterien geregelt werden. Der Nationalrat ist in der Herbstsession gefordert, das Gesamtwohl in der Pflege über Partikularinteressen zu stellen.