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17.03.2021

Gastbeitrag

EFAS: Jetzt müssen alle Tarifpartner mitziehen!

Zwei Reformen des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) hat das Parlament in den letzten beiden Jahren verabschiedet: 2019 die Qualitätsvorlage und 2020 die Zulassungssteuerung. Letztere gibt den Kantonen zusätzliche Kompetenzen für die Angebotssteuerung im ambulanten Bereich.

Nicht beseitigt ist jedoch der grösste Fehlanreiz im System, die unterschiedliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen. Die Forderung ist so alt wie das KVG. Bereits 2004 wurde im Auftrag des Bundesrates ein Bericht mit Umsetzungsvarianten einer monistischen Finanzierung vorgelegt. Weil der Bundesrat untätig blieb, hat der Nationalrat die Arbeiten an die Hand genommen und im Herbst 2019 gegen den Widerstand von Links einen Entwurf verabschiedet. Seither brütet die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats (SGK-S) über der Vorlage. Der Grund für eine einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) ist klar: Es geht um die Eliminierung von Fehlanreizen und um die Stärkung der integrierten Versorgung. Ambulante Leistungen werden heute vollständig von den Krankenversicherern, d.h. mit Prämien, finanziert.

Leistungen im stationären Bereich werden zu 55 Prozent von den Kantonen und zu 45 Prozent von den Versicherern bezahlt. Diese Regelung führt zu verschiedenen Fehlanreizen, welche dem Ziel einer medizinisch indizierten, nutzenorientierten und kosteneffizienten Behandlung entgegenstehenMit EFAS bezahlen die Krankenversicherer alle Leistungen. Die Kantone, welche aktuell 55 Prozent der Kosten direkt den Spitälern für stationäre Aufenthalte ausrichten, finanzieren alle Leistungen mit und leisten ihren Anteil, der aktuell kostenneutral bei 25,5 Prozent aller OKPKosten läge. Der bisherige steuerfinanzierte Teil der Kantone geht an die Krankenversicherer via gemeinsame Einrichtung KVG. Diese verfügt über die Leistungsdaten, da sie den Risikoausgleich unter den Versicherern nach Kantonen abwickelt. Das Controlling über die Verwendung der Steuermittel bleibt bei den Kantonen.

Die Tarifpartner sind gefordert, für die Umsetzung von EFAS sachgerechte Tarife zu entwickeln und sowohl eine Über- wie auch Unterfinanzierung von ambulanten Behandlungen zu eliminieren. Für standardisierte ambulante Eingriffe sind Pauschalen angezeigt, denn sie verhindern unnötige zusätzliche Leistungen. Die Forderung der Kantone, die Pflege miteinzubeziehen, ist berechtigt. Die Spitex ist beispielsweise Teil der integrierten Versorgung. Bei der Pflegefinanzierung gibt es aktuell jedoch 26 Umsetzungsvarianten, sowohl bei der Spitex wie bei Pflegeheimen. Zuerst müssen daher einheitliche Grundlagen erarbeitet werden. Zudem ist eine Berechnung der Kostendynamik in der Pflege nötig, um eine Verlagerung des Finanzierungsanteils von Kantonen auf Krankenversicherer, d.h. von den Steuer- auf die Prämienzahlenden auszuschliessen.

Die Umsetzung ist anspruchsvoll und braucht Zeit, weshalb EFAS etappiert eingeführt werden muss. Die Pflege kann erst in einem zweiten Schritt mit einer genügend langen Übergangsfrist in EFAS integriert werden. EFAS kann nur gelingen, wenn sich die Akteure nicht detailversessen auf Partikularinteressen fokussieren, sondern wenn alle – Krankenversicherer, Leistungserbringer und Kantone – im Interesse der Nutzenoptimierung unseres Gesundheitswesens konstruktiv mitarbeiten und in ihrem Zuständigkeitsbereich die erforderlichen Arbeiten für eine erfolgreiche Umsetzung von EFAS angehen.  

Ruth Humbel, Nationalrätin Die Mitte, Aargau, Präsidentin der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK), Initiantin von EFAS

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