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09.11.2020

Porträt Ivan Glavas, Leiter Leistungseinkauf Region Mitte bei tarifsuisse ag

Es braucht Hartnäckigkeit, Geschick und Diplomatie

Preisverhandlungen zwischen Leistungserbringer und Krankenversicherer sind heikel. Es geht um viel Geld, gerade im Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung. Für den Erfolg sind ganz verschiedene Faktoren entscheidend – das weiss Ivan Glavas, Leiter Leistungseinkauf Region Mitte bei der tarifsuisse ag nur zu gut. Ein Portrait.

Wie kommt der Basispreis für eine stationäre Behandlung in einem bestimmten Spital zustande? Wer legt fest, wie hoch der Taxpunktwert eines freipraktizierenden Arztes ist? Eine Schlüsselrolle zur Beantwortung dieser Fragen spielen die Leiter Leistungseinkauf Region Mitte leiterinnen und -leiter der tarifsuisse ag. Die santésuisse-Tochtergesellschaft übernimmt für mehr als 40 Krankenversicherer den Leistungseinkauf und führt dementsprechend sämtliche KVG-Preisverhandlungen. infosantésuisse wollte mehr wissen über die Arbeit eines Verhandlungsleiters. Auf welcher Basis wird verhandelt und mit wem? Wie kommen die Preise zustande? Und was passiert, wenn man sich am Verhandlungstisch partout nicht einigen kann? Gesprochen haben wir mit Ivan Glavas. Er ist Leiter Leistungseinkauf der «Region Mitte» mit Sitz in Bern und führt ein Team von mehreren Verhandlungsleitern.

Die Quadratur des Kreises

Gemäss Lexikon ist eine Verhandlung «… die Gesprächsform über einen kontroversen Sachverhalt». Und kontrovers sind Preisverhandlungen im KVG-Bereich allemal. «Unsere Aufgabe ist es, in einem mehrdimensionalen Spannungsfeld die teilweise höchst unterschiedlichen Bedürfnisse von Prämienzahlenden, Versicherern, Leistungserbringern und Arbeitgeber unter einen Hut zu bringen», sagt Ivan Glavas. Anders ausgedrückt: Frei praktizierende Ärzte, Spitäler oder paramedizinische Therapeuten haben jedes Interesse, ihre Leistung so teuer wie möglich zu verkaufen. Für tarifsuisse wiederum steht der Prämienzahler im Mittelpunkt, weshalb deren Mitarbeitende alles daran setzen, möglichst kostengünstig einzukaufen, um die Prämienzahlenden nicht noch mehr zu belasten. «Sich auf einen sachgerechten Preis einer Leistung zu einigen, kommt oft der Quadratur des Kreises gleich», sagt Glavas. «Insbesondere in einem Umfeld, das durch den im Krankenversicherungsgesetz vorgegebenen Kontrahierungszwang geprägt ist. » Will heissen: Die Versicherer können sich nicht aussuchen, mit welchen Leistungserbringern sie zusammenarbeiten wollen.

Feilschen um jeden Franken?

Der tarifsuisse-Leistungseinkauf betreut derzeit rund 1000 Verträge. Regelmässig verhandelt werden im stationären Bereich die SwissDRG- und TARPSY-Basispreise der einzelnen Spitäler und Psychiatrien, sowie die Tagespauschalen der Rehakliniken. Im ambulanten Bereich wiederum geht es um die Vereinbarung der Taxpunktwerte der freipraktizierenden Ärztinnen und Ärzte, Spitalambulatorien und der Leistungserbringer in der Paramedizin. Ist ein Verhandlungsleiter also eine Art «Chef-Feilscher» in Sachen Gesundheitskosten? Glavas winkt ab: «Natürlich kämpfen wir für die Versicherer und somit auch für die Prämienzahlenden um jeden Franken oder Rappen, um die Kosten im Griff zu halten. Und natürlich liegen sich Verhandlungsleiter, Versicherer und Leistungserbringer immer mal wieder in den Haaren. Das liegt in der Natur der Sache, gerade weil das Spannungsfeld gross ist und die Vorstellungen der Tarifpartner oft kontrovers sind.» Damit diese Unstimmigkeiten nicht eskalieren und zu Blockaden führen, muss ein Verhandlungsleiter nicht nur die Materie sehr genau kennen, sondern auch geschickt agieren. Neben einer soliden ökonomischen oder juristischen Ausbildung brauche es eine gehörige Portion Diplomatie und Hartnäckigkeit, um zum Ziel zu kommen, sagt Glavas. «Besonders wichtig ist auch eine gewisse Glaubwürdigkeit, damit Verhandeln nicht zum Feilschen wird».

Kosten- und Leistungsdaten als Basis

Verhandelt wird nicht im luftleeren Raum. Grundlage für die jeweilige Preisfindung unter den Tarifpartnern sind die Kosten- und Leistungsdaten, die jeder Leistungserbringer oder dessen Dachverband zur Verfügung stellen muss. Diese werden sorgfältig geprüft, plausibilisiert und bilden die Basis der Verhandlungsunterlagen. Es liegt dann in der Verantwortung des Verhandlungsleiters, in seinem Zuständigkeitsgebiet eine Strategie zu entwickeln, die kompatibel ist mit den regionalen und nationalen Gegebenheiten sowie den internen Vorgaben, welche gemeinsam mit den tarifsuisse-Kunden – also den Krankenversicherern – erarbeitet werden. Während der eigentlichen Verhandlungen mit den Leistungserbringern führt der Verhandlungsleiter eine Delegation an, in welcher auch die Versicherer vertreten sind und zwar abhängig von deren Marktanteil im jeweiligen Gebiet. Dieser Einbezug der marktstärksten Versicherer erhöht die Chance, dass alle Versicherer ein Verhandlungsergebnis auch mittragen. Ivan Glavas: «Selbstverständlich ist es unser Ziel, die Bedürfnisse der verschiedenen Versicherer gleichermassen zu erfüllen. Dies gelingt häufig, jedoch nicht immer.» Grundsätzlich reicht eine Mehrheit der Stimmen innerhalb der Verhandlungskommission, um ein Verhandlungsergebnis zu genehmigen. Ist ein Versicherer mit dem verhandelten Preis jedoch nicht einverstanden, hat er die Möglichkeit, tarifsuisse die Verhandlungsvollmacht für ein spezifisches Geschäft zu entziehen.

Und wenn nichts mehr geht?

Und was passiert, wenn ein Verhandlungsprozess über Monate blockiert ist, wenn jede Partei auf ihren Preisvorstellungen beharrt und sich die Fronten verhärten? «Tatsächlich gibt es Situationen, in welchen eine Verhandlungslösung innerhalb der vorgegebenen Frist nicht möglich ist», weiss Glavas. In solchen Fällen sieht das Gesetz vor, dass die jeweilige Kantonsregierung alle Beteiligten anhört und dann von sich aus einen Tarif festsetzt. Gegen diesen regierungsrätlichen Beschluss können die Beteiligten wiederum beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde einreichen. «Allerdings», betont Ivan Glavas, «setzt jeder Verhandlungsleiter alles daran, den langwierigen und teuren Weg durch die Instanzen nur dann zu beschreiten, wenn dadurch die Chancen für die Versicherer erhöht werden».

Ivan Glavas

Ivan Glavas, Leiter Leistungseinkauf Region Mitte bei tarifsuisse ag

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