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16.12.2022

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Gatekeeper: Bewährtes Modell mit Zukunft

Drei Viertel aller Versicherten nutzen heute bereits ein Modell mit eingeschränkter Wahl der Leistungserbringer und damit ein sogenanntes «Gatekeeper-Modell». Ein neues Gutachten von Professorin Kerstin Vokinger von der Universität Zürich im Auftrag von santésuisse zeigt: Alternative Versicherungsmodelle, und somit auch Gatekeeper-Modelle, liessen sich ohne weiteres zum Standard erklären.

Aktuell sieht das Krankenversicherungsgesetz KVG für Erwachsene ein Standardmodell mit einer Franchise von 300 Franken sowie unbeschränktem Zugang zu den Leistungserbringern vor. Allerdings steht es den Versicherten frei, eine höhere Kostenbeteiligung zu vereinbaren (Wahlfranchise) oder die Wahl der Leistungserbringer zu beschränken. Im Gegenzug profitieren sie von tieferen Prämien. Seit Einführung des Gesetzes machen immer mehr Versicherte von einem solchen alternativen Versicherungsmodell Gebrauch. Auf diese Entwicklung wollte der Bundesrat im Rahmen des Kostendämpfungspaketes
II reagieren und ein neues Standardmodell einführen, das zwingend eine Erstberatungsstelle vorgesehen hätte. Gegen den Vorschlag formierte sich in der Vernehmlassung jedoch grosser Widerstand, weshalb der Bundesrat sein Vorhaben frühzeitig ad acta legte. Auch santésuisse wehrte sich damals gegen den Vorschlag des Bundesrates, denn damit wäre einfach ein neues Standardmodell geschaffen worden. Stattdessen müsste nach Auffassung von santésuisse gesetzlich vielmehr die Vielfalt der Modelle abgebildet werden. Und: Es sollte möglich sein, dass jeder Versicherer selber bestimmt, welches der heute angebotenen Modelle für seine Versicherten als Standard gilt – und weiterhin auch andere Modelle angeboten werden dürfen.

Systemwechsel ohne weiteres möglich

Vor diesem Hintergrund hat santésuisse der Universität Zürich ein Gutachten in Auftrag gegeben, welches nun vorliegt. Es zeigt: Im Rahmen des Krankenversicherungsgesetzes könnten alternative Versicherungsmodelle – und somit auch Gatekeeper-Modelle – zum neuen Standard- Versicherungsmodell erhoben werden. Dies ist rechtlich und hinsichtlich der Verfassung ohne weiteres umsetzbar. Wichtig ist dabei aus juristischer,
und auch aus sozialer Sicht, dass das Ziel der Kostendämpfung nicht zulasten der medizinischen Versorgungsqualität geht. Auch diese Bedingung würde mit
dem neuen Standardmodell eingehalten.

Wahlfreiheit hängt vom geltenden Recht ab

Das Gutachten zeigt auf, dass die aktuell geltende Wahlfreiheit mit dem Inkrafttreten des KVG nicht neu eingeführt, sondern in – unter den Leistungserbringern – vereinheitlichter Form weitergeführt wurde. Zudem weist es darauf hin, dass die Wahlfreiheit der Versicherten aktuell auch nicht in ihrer umfassendsten Form gewährleistet ist und war, sondern mit gewissen Einschränkungen. Diese sind durch die Ziele des KVG begründet, eine ausreichende, umfassend solidarisch ausgestaltete und qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung zu möglichst tiefen Kosten zu gewährleisten.

Attraktive Perspektive für Versicherte

Für die Mehrzahl der Versicherten würde sich mit dem Vorschlag von santésuisse, gemäss Professorin Vokinger, nicht viel verändern, sind doch bereits heute rund drei Viertel von ihnen in Gatekeeper-Modellen versichert. Sie müssten sich an die gleichen Regeln halten wie bis anhin und hätten Anspruch auf tiefere Prämien im Vergleich zu Modellen mit freier Wahl der Leistungserbringer. Wer die Leistungserbringer weiterhin frei wählen möchte, müsste dafür neu einen Aufpreis zahlen.

Leistungserbringer müssen sich neu bewerben

Von einem Systemwechsel stärker betroffen wären die Leistungserbringer, insbesondere die Ärztinnen und Ärzte. Innerhalb der Ärzteschaft würde sich vor
allem für Grundversorger eine neue Situation ergeben, zumal Spezialistinnen und Spezialisten schon heute einen Grossteil der Patientinnen und Patienten per Zuweisung erhalten. Ärztinnen und Ärzte, die von den Versicherern nicht als Gatekeeper gewählt würden, könnten mit einem Gatekeeper-Modell nur für jene Patientinnen und Patienten über die OKP abrechnen, die im Modell mit freier Wahl des Leistungserbringers versichert sind. Gemäss dem juristischen Gutachten wäre dies aus verfassungsrechtlicher Perspektive zulässig, sofern die Gleichbehandlung unter Konkurrenten sichergestellt bliebe und sich die von Versicherern unter Kostengesichtspunkten abgelehnten Leistungserbringer neu bewerben könnten, sobald sie ihr Geschäftsmodell umstrukturiert hätten.

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