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22.05.2023

Hand in Hand von Data Science und gesundem Menschenverstand

Auch wenn künstliche Intelligenz bei der Rechnungskontrolle immer wichtiger wird, braucht es nach wie vor menschlichen Spürsinn und ganz viel Fachwissen. Infosantésuisse hat den Spezialistinnen und Spezialisten bei der Groupe Mutuel über die Schulter geschaut.

Schnee- und Rebberge, das mittelalterliche Schloss und die Weite des Himmels. Die Aussicht aus den modernen Büros der Groupe Mutuel in Sion ist «Wallis pur». Zeit, diese zu geniessen, finden Mathilde Bourdin, Fabrice Ghisoli, Raphael Theoduloz, Rita Biollay und Michael Coimbra Vaz und ihr Chef, Benoit Dessimoz, nur selten. Zusammen bilden sie das Kernteam der Rechnungskontrolle und Wirtschaftlichkeitsprüfung beim Walliser Krankenversicherer. Denn auch wenn mittlerweile über 80 Prozent der beim Krankenversicherer eingehenden Rechnungen mittels Algorithmus automatisch geprüft werden, gibt es für sie viel zu tun. «Kein Tag ist wie der andere und kein Fall gleicht dem andern», umschreibt Rita Biollay ihre vielfältige Tätigkeit. Jährlich werden bei Groupe Mutuel rund 18 Millionen Rechnungen kontrolliert. Für die Prämienzahlerinnen und -zahler resultiert daraus eine Ersparnis von fast 600 Millionen Franken – pro Jahr, wohlverstanden.

Data Science führte zum Paradigmenwechsel

Ob Fehler in der Tarifierung, doppelte Rechnungen, oder Leistungen, die im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nicht übernommen werden – sie alle versucht das Team zu finden. «Ein bisschen detektivischer Spürsinn ist natürlich schon dabei», schmunzelt Benoit Dessimoz. «Die zunehmende Standardisierung und die Digitalisierung der Rechnungen haben aber zum Glück dazu geführt, dass wir dabei tatkräftig vom Computer unterstützt werden.» Data Science heisst das Stichwort der Stunde, das die Rechnungskontrolle bei der Groupe Mutuel in den vergangenen zwei, drei Jahren noch effizienter und vor allem noch treffsicherer gemacht hat. Die Expertinnen und Experten sprechen denn auch vom «Moteur des règles», vom Regelmotor. Dieser prüft die bei der gesamten Groupe Mutuel eingegangenen Abrechnungen verteilt aufverschiedene Spezialgebiete: Tarmed-Rechnungen, Laborrechnungen, Alternativmedizin, Abrechnungen von Apotheken, Spital- und Pflegerechnungen, andere Ambulatorien sowie Rechnungen von Physiotherapeuten.

Keine reine Controlling-Arbeit

Das Team von Benoit selbst sieht sich als Teil eines Rades, dessen Nabe sie sind. «Wir müssen gegen innen und gegen aussen mit den unterschiedlichsten Spezialistinnen und Spezialisten Hand in Hand zusammenarbeiten», erklärt Raphael Theoduloz, das Bild. Als Team-Doyen ist er am längsten mit dabei und hat die Zeiten noch erlebt, in denen die allermeisten Rechnungen von Hand kontrolliert wurden. «Es ist unglaublich, wie sich der Prozess entwickelt hat…» Was ist es denn, das ihn an dieser Kontrollarbeit so fasziniert? «Die Tatsache, dass es eben keine reine Kontrollarbeit ist», meint er wie aus der Pistole geschossen. «Anders als Mitarbeitende im Controlling können wir mit unserer Arbeit zusammen mit dem Business direkt etwas zur Prozessverbesserung beitragen und unsere Kundinnen und Kunden finanziell entlasten.» Dazu seien Neugierde und Geduld genauso wichtig, wie analytische Fähigkeiten, eine methodische Arbeitsweise sowie eine hohe Kommunikationsfähigkeit.

Aus diesem Grund sei es auch wichtig, dass das Team heterogen zusammengesetzt sei, so Benoit Dessimoz. «Mitarbeitende mit langjährigem Versicherungswissen arbeiten Hand in Hand mit IT- und Datenspezialistinnen.» Letztere sind auf dem Arbeitsmarkt heiss begehrt und gerade für einen Krankenversicherer nicht so leicht zu finden. «Da ich selbst ein Quereinsteiger bin, gelingt es mir aber gut, den <jungen Wilden> die Vorzüge unserer Projekte aufzuzeigen.»

Anomalien erkennen

Zusammen mit den Data Scientists sorgt Benoit dafür, dass der Algorithmus immer wieder Neues dazulernt. «Im Wesentlichen füttern wir ihn laufend mit echten Fällen, damit er Anomalien immer besser erkennt.» Letztere werden in verschiedene Formen visualisiert und stechen dann zum Beispiel Mathilde sofort ins Auge. «Ist ein Ausreisser entdeckt, heisst das aber noch nicht, dass es sich dabei um Betrug handelt», betont sie. «Es ist unsere Aufgabe herauszufinden, ob es einen plausiblen Grund dafür gibt.» Findet die Spezialistin keine gute Erklärung dafür, sucht sie oder eine Kollegin, ein Kollege aus dem Team je nach Fall medizinische, juristische oder andere Experten auf. «Es ist immer eine Gratwanderung, da die Fälle oft nicht schwarz oder weiss sind», erklärt sie. «Daher brauchen wir sehr viele Informationen von unterschiedlichsten Seiten, um ein allfälliges Fehlverhalten zu rechtfertigen.» Gerichtsverfahren versuche man natürlich immer zu vermeiden, entweder durch Gespräche mit dem Leistungserbringer oder allenfalls mit einem Mediationsverfahren.»

Den Menschen wird es in der Rechnungskontrolle auch in Zukunft noch brauchen, davon ist Benoit überzeugt. «Auch wenn wir zu einem datengetriebenen Unternehmen entwickeln wollen, kann der Algorithmus den Plausibilisierungsprozess nie allein durchführen.»

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