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14.12.2020

Reserven der Krankenversicherer

Unnötiger Abbau: Reserven der Krankenversicherer in Gefahr

Der Bundesrat treibt ein riskantes Spiel: Per Juni 2021 will er die Bestimmungen zur Höhe der Reservengelder, welche die Krankenversicherer halten müssen, lockern. Damit gefährdet er ohne Not die Stabilität und Qualität des Schweizer Gesundheitswesens.

Im Gesundheitswesen der Schweiz nehmen die Krankenversicherer eine tragende Rolle ein – das zeigt sich gerade jetzt während der Corona-Pandemie. Bereits im Frühsommer konnten sie ein beruhigendes Zeichen setzen und der Bevölkerung mitteilen: Aufgrund der soliden Reserven ist für das Jahr 2021 keine Prämienerhöhung notwendig.

Obwohl die Gefahren der Pandemie noch längst nicht gebannt sind, will der Bundesrat gerade jetzt die Krankenversicherer zu einem Reserveabbau weit über dem bisher zulässigen Umfang verleiten. santésuisse wehrt sich vehement gegen diese Pläne, „weil sie verantwortungslos und fahrlässig sind“, wie Christoph Kilchenmann, Chefökonom und Vizedirektor von santésuisse, betont.

Konkret will der Bundesrat die Krankenversicherungsaufsichtsverordnung (KVAV) überarbeiten und zulassen, dass Reserven bis auf das absolute gesetzliche Minimum abgebaut werden. Die Vernehmlassung hat am 18. September begonnen, die neue Regelung soll per Juni 2021 in Kraft treten. Angesichts der grossen und nicht vorhersehbaren Schwankungen der Solvenz hält santésuisse einen Reserveabbau der Versicherer auf das gesetzliche Minimum für gefährlich. Mit gutem Grund lässt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) bisher einen solchen Abbau nur dann zu, wenn sichergestellt ist, dass die Reserven auch nach dem Abbau 50 Prozent über dem gesetzlichen Minimum liegen. Dies, um Prämienschwankungen zu minimieren und Insolvenzen von Versicherern zu verhindern.

Jojo-Effekt wie 2008 verhindern

„Der Bundesrat nimmt mit seinen Plänen wirtschaftlich und gesellschaftlich unerwünschte Jojo-Effekte in Kauf“, warnt Kilchenmann. Würden die Prämien nicht rechtzeitig an die Kostenentwicklung angepasst, müsste das Versäumte im Folgejahr – und allenfalls auch unterjährig – durch markante Prämienaufschläge kompensiert werden. So geschehen im Jahr 2008: Damals zwang Bundesrat Pascal Couchepin die Krankenversicherer, die Prämien mittels Reserveabbau künstlich tief zu halten. Konsequenz: Es folgten die Jahre mit den höchsten Prämienerhöhungen seit Einführung des Krankenversicherungsgesetzes in der Schweiz. Ein ähnliches Szenario könnte erneut Tatsache werden, für die Branche sind sogar noch schlimmere Konsequenzen denkbar: Würden alle Versicherer ihre Reserven auf das Minimum abbauen, würde alle drei bis vier Jahre ein Versicherer zahlungsunfähig.

Risikospirale droht

Mit der geplanten Änderung der KVAV greift der Bundesrat in die Autonomie der sozialen Krankenversicherer ein und nimmt ein erhöhtes Risiko in Kauf, das systemrelevant ist. Es droht eine Risikospirale im Sinne von: Wer mehr Risiken in Kauf nimmt, kann noch tiefere Prämien anbieten. „Will ein Krankenversicherer seine Reserven aus gutem Grund nicht auf das neue gesetzliche Minimum reduzieren, wird er mit einem enormen politischen und sozialen Druck konfrontiert und dem Vorwurf der Prämientreiberei ausgesetzt sein“, ist Kilchenmann überzeugt.

Bundesrat vermittelt falschen Eindruck

Nicht zuletzt schadet der Vorstoss des Bundesrates auch der Glaubwürdigkeit der Krankenversicherer. Er vermittelt den Eindruck, sie verfügten über deutlich zu hohe Reserven – und zeichnet damit ein komplett falsches Bild. Tatsächlich entsprechen die Reserven der Krankenversicherer heute lediglich dem Gesamtbetrag von drei bis vier Monatsprämien. Damit ist die soziale Krankenversicherung solide finanziert – die Behauptung, die Krankenversicherer würden in einem übermässigen Mass Reserven anhäufen, ist hingegen falsch. Das zeigt auch ein Vergleich mit anderen Sozialversicherungen wie der AHV oder der Unfallversicherung, die beide über wesentlich höhere Reserven verfügen. Aber auch die meisten Privatversicherer haben ein Eigenkapital, das rund doppelt so hoch ist, wie es die Mindestvorgabe der Finanzmarktaufsicht (FINMA) verlangt. Die ist umso bemerkenswerter, weil die Privatversicherer grundsätzlich frei wären, das Eigenkapital zugunsten der Eigner auf das Minimum abzubauen. Christoph Kilchenmann appelliert denn auch an die Vernunft der politischen Akteure: „Es ist wichtig, dass wir die Finanzierung des Gesundheitswesen jetzt nicht fahrlässig aufs Spiel setzen und nicht ohne Not das Tafelsilber verscherbeln.“

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